Zwei Demonstrationen für Freiheit und Demokratie fanden statt: in Bad Königshofen und in Bad Neustadt

Bad Königshofen am 16. März 2024: Demo für Freiheit und Demokratie
Bildrechte Evang.-Luth.Dekanatsbezirk Bad Neustadt an der Saale

Am 16. März in Bad Königshofen (Foto) und schon am 17. Februar in Bad Neustadt fanden Kundgebungen statt, bei denen zu Fairness im gesellschaftlichen Umgang, zur Achtung der Menschenwürde und zum Einsatz für Freiheit und Demokratie in unserem Land aufgerufen wurde. Dahinter stand jeweils ein lokales breites Bündnis aus Vereinen, Organisationen, Einrichtungen und politischen Parteien. Auch Vertreterinnen unserer Evangelisch-Lutherischen Kirche ergriffen das Wort und betonten die Anliegen aus christlicher Sicht. Hier sind beide Redebeiträge zu lesen.

In Bad Neustadt stand die Demonstration unter dem Motto "WIR für Freiheit und Demokratie". Pfarrerin Gerhild Ehrmann vertrat dort beide Kirchen, die evangelische und die katholische, und sagte Folgendes:

"Liebe Teilnehmende, liebe Mitstreiter/innen,
wir grüßen Sie und euch herzlich von der katholischen und evangelischen Kirche hier in unserer Stadt und Region.

So verschieden wir bei dieser Kundgebung auch sind – uns verbindet die Sorge über Verrohung und Hetze, die sich zunehmend in unserem Land breit machen. Rassismus und Antisemitismus zeigen immer öfter und unverhohlener ihr brutales Gesicht und machen Angst. Es werden Menschen schikaniert, beleidigt und bedroht – im Internet und im realen Leben. Zuletzt haben die schlimmen Ausfälle am Aschermittwoch gezeigt, wie sehr für manche Menschen auch das Maß für die politische Auseinandersetzung verloren gegangen ist. Unsere Freiheit und auch unsere demokratischen Institutionen sind in Gefahr, ausgehöhlt zu werden, wenn Extremismus sich breit macht und Boden gewinnt. Dem treten wir gemeinsam entgegen. Darum sind wir hier, in großer Zahl, und machen uns damit gegenseitig Mut.

Wir stehen ein für einen respektvollen Umgang mit jedem Menschen. Das klingt so selbstverständlich und muss doch immer wieder verteidigt werden. Deshalb steht die Menschenwürde in unserem Grundgesetz buchstäblich an erster Stelle. Die kann man auf verschiedene Weise begründen. Sicher braucht man dazu nicht unbedingt den Glauben an Gott. Aber wenn man die Würde damit begründet, dass jeder und jede von uns ein unverfügbares Ebenbild Gottes ist, dann bedeutet es vor allem: Es steht nicht in unserem Belieben, wem wir dieses Recht auf würdige Behandlung zugestehen. Und es ist nicht an Bedingungen gebunden, die jemand erfüllen muss. Die Würde gilt einfach, weil es ein Mensch ist. Wer etwa davon fantasiert, Menschen zu deportieren, die eine Migrationsgeschichte haben, oder wer aus anderen Gründen Leute niedermacht oder weg ekeln will, die ihm nicht ins Bild passen, der hat das grundlegend nicht verstanden (oder handelt in krimineller Absicht).

Was wir derzeit erleben, kann uns Angst machen. Die kann uns in Bewegung setzen, aber sie darf uns nicht beherrschen. Es heißt ja: „Wir haben nicht einen Geist der Furcht bekommen, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2.Timotheus 1,7). All das brauchen wir.

Die Kraft brauchen wir, um zusammenzubleiben, standzuhalten und den Mund aufzumachen, uns nicht einschüchtern zu lassen, wenn andere laut und rabiat werden.

Die Liebe brauchen wir, damit wir Menschen sehen, die bedrängt und bedroht werden, und damit wir ihnen beistehen. Wir brauchen die Liebe auch, um rechtzeitig mitzukriegen und klar gegenzusteuern, wenn jemand in eine Blase abdriftet, in der Verschwörungsgeschichten und Hetze verbreitet werden.

Wir brauchen die Besonnenheit, damit wir auch mühsame Konflikte in unserer Gesellschaft weitsichtig und auf faire Weise lösen. Wir brauchen die Besonnenheit schließlich auch, damit wir Kundgebungen wie diese nicht für parteitaktische Angriffe und Schlagabtäusche ausnutzen, sondern das Gemeinsame suchen.

So wünsche ich unserer Demonstration einen friedlichen Verlauf. Vielen Dank!"

16.3.24 KÖN Demo Bühne Tina Mertten
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Foto: Pfarrerin Tina Mertten auf der Bühne in Bad Königshofen

In Bad Königshofen lautete das Motto "Nie wieder ist Jetzt! - Für Freiheit und Demokratie". Dort sprach Pfarrerin Tina Mertten:

Hallo, alle miteinander!
Ja, das mit dem Miteinander, das ist manchmal nicht so einfach. Das muss man manchmal erst lernen...

Die Älteren unter euch erinnern sich sicher noch daran, dass es hier in Königshofen mal zwei Hälften des Schulhofs gab – eine Hälfte für die Katholischen und eine für die Evangelischen. Oder dass es üblich war, dass die katholischen Landwirte am Karfreitag Mist gefahren haben und die evangelischen an Fronleichnam. Oder dass die Aubstädter Kerle nicht in die katholischen Ortschaften zum Tanzen gehen durften, damit sie sich nicht in die Falsche vergucken, und umgekehrt an den Ausruf der katholischen Oma, wenn es dann doch mal passiert ist: „Jessas Maria, ä Luthrischer…“

Ja, das mit dem Miteinander ist manchmal nicht so einfach. Man muss es erst lernen. Aber man kann es auch lernen. Und wenn wir ehrlich sind, dann hätten wir das auch schon früher wissen können. Seit 2000 Jahren konnten wir das nachlesen in unserer Bibel im Galaterbrief: „Ihr seid alle Kinder Gottes, weil ihr durch den Glauben verbunden seid. Es spielt keine Rolle, ob ihr Juden seid oder Griechen, Sklaven oder freie Menschen, Männer oder Frauen. Durch den Glauben seid ihr alle wie ein Mensch geworden.“

Ich will sehr hoffen, dass wir nicht wieder 2000 Jahre brauchen, um zu merken: Die Liste lässt sich fortsetzen! Es spielt keine Rolle, ob ihr aus Deutschland kommt oder aus Syrien, aus Afghanistan oder aus der Ukraine, ob eure Eltern in Russland geboren wurden oder in der Türkei. Es spielt auch keine Rolle, ob ihr lieber Blasmusik hört oder Punk, ob ihr Bayern-Fans seid oder Dortmunder, es spielt keine Rolle, was ihr verdient, es spielt keine Rolle, ob ihr Männlein seid oder Weiblein oder divers, es spielt keine Rolle, wen ihr liebt. Es spielt sogar keine Rolle, was ihr wählt – solange ihr den anderen auch ihr Recht und ihren Raum lasst. Ihr seid alle wie ein Mensch.

Worum geht es also? Wie geht es? Miteinander im Gespräch bleiben. Wirklich hören und verstehen wollen. Mich in mein Gegenüber hineinversetzen. Früher hat man mal gesagt: „Eine Meile in seinen Mokassins laufen.“ Den anderen gelten lassen. Mensch sein. Und Mensch bleiben.

Das fängt im Kleinen an. Es fängt damit an, wie wir miteinander umgehen – in der Schule, in der Nachbarschaft, in der Arbeit, im Verein, im Dorf und in der Stadt. Das gilt für die reale Welt und vor allem gilt es für die digitale Welt, wo wir dem anderen nicht ins Gesicht schauen müssen, wenn wir ihm unsere Sicht der Dinge per mail um die Ohren hauen wie einen nassen Lappen. Mit einem echten, lebendigen Menschen würden wir nie so umgehen! Aber der Ton schleicht sich ein, und er schwappt rüber ins handfeste Leben. Und da muss sich jeder von uns an der eigenen Nase fassen. Respekt ist eine Haltung, und eine Haltung muss man immer wieder einüben, die passiert nicht von allein.

Es ist ein hohes Gut, dass wir in einem Land leben dürfen, das Unterschiede aushält, das in der Vielfalt eine Chance sieht und keine Bedrohung. Es ist ein hohes Gut, dass bei uns jeder frei denken und frei reden und frei glauben darf. Es ist ein hohes Gut, dass wir die Schwachen im Blick behalten und es für selbstverständlich halten, dass die, denen es gut geht – körperlich, sozial, finanziell –, dass die Verantwortung übernehmen für die, die sich schwerer tun im Leben. Es ist ein hohes Gut – und es ist nicht selbstverständlich! Demokratie ist auch Arbeit. Demokratie kann man nicht an „die da oben“ delegieren – das ist ein Widerspruch in sich! Alle Macht geht vom Volk aus. Demokratie geht jeden und jede von uns an – und sie geschieht jeden Tag genau da, wo wir sind. Auf uns kommt es an! Wir können etwas bewegen, und wir müssen es auch!

Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem sich jeder nur noch selbst der Nächste ist und sich für den Nabel der Welt hält. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Menschen wieder Angst haben müssen, weil sie anders sind. Jeder von uns ist anders, irgendwo und irgendwie! Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem die Ellenbogen das wichtigste Körperteil sind und nicht das Herz und das Hirn. Ich möchte in einem Land leben, in dem es sich gut leben lässt – für alle!

Ich schließe mit ein paar schönen und wahren Sätzen, die ich bei meiner Lieblingsschriftstellerin Susanne Niemeyer gefunden habe:
Wir wollen Herz statt Hetze.
Herkunft kann man sich nicht aussuchen. Heimat schon.
Wir glauben, dass Falafel gut zu Sauerkraut passt und es sich miteinander schöner lebt als gegeneinander.
Unser Horizont ist weit wie der Himmel, Regenbogen inklusive.
Demokratie heißt, das Wohl aller zu wollen und dabei manchmal auch unterschiedlicher Meinung zu sein.
Rassismus ist keine Meinung.
Unser Kreuz hat keine Haken.